Ansprache zum Volkstrauertag

Ansprache des Ortsvorstehers zum Volkstrauertag am 14.11.2021 in Schannenbach

Sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger!

Ich begrüße Sie alle zu unserer kleinen Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag hier am Ehrenmal für die gefallenen Soldaten beider Weltkriege aus den Höhengemeinden in Schannenbach.

Wir schreiben das Jahr 2021.
Es ist dieses Jahr 105 Jahre her, dass bei der nordostfranzösischen Stadt Verdun eine der blutigsten und grausamsten Materialschlachten des Ersten Weltkriegs stattfand. Die Zahl der Gefallenen allein nur in dieser Schlacht lässt sich nicht mehr genau beziffern, aber man kann von insgesamt weit mehr als dreihunderttausend Soldaten der beiden beteiligten Kriegsparteien Deutschland und Frankreich ausgehen.

80 Jahre ist es dieses Jahr her, dass mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion der Deutsch-Sowjetische Krieg im Rahmen des Zweiten Weltkriegs eröffnet wurde.

Ein Krieg, dem allein auf der sowjetischen Seite bis zu seinem Ende zwischen 25 und 40 Millionen Menschen zum Opfer fielen, und mit etwa 2,7 Millionen mehr als die Hälfte der 5,3 Millionen im gesamten Zweiten Weltkrieg gefallenen deutschen Soldaten;
vor allem aber ein Krieg, der durch seine Totalität und seine Verbrechen beispiellos in der moderneren Geschichte ist.

Es sind dies unfassbare Opferzahlen, die nur im Zusammenhang mit den beiden eben genannten Ereignissen stehen. Zahlen, die sich unserer Vorstellung entziehen, und hinter denen doch in jedem einzelnen Fall ein menschliches Schicksal steht.

Allerdings sind 105 Jahre und 80 Jahre eine lange Zeit. Ein ganzes Menschenleben und mehr liegen diese Ereignisse bereits zurück. Auch diejenigen unter uns, die vielleicht noch den einen oder anderen der jungen Männer, die im Zweiten Weltkrieg gefallen und deren Namen auf unserem Ehrenmal aufgeführt sind, persönlich gekannt haben oder die zumindest sich aus Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern oder anderer Verwandter eine Vorstellung dieser Menschen machen konnten, sie werden immer älter und sie werden weniger.

Wir, die Angehörigen der heutigen Generation können uns angesichts dieser langen zurückliegenden Zeit seit den beiden Weltkriegen und der immer weniger werdenden Zeitzeugen nun fragen,
ob das Gedenken noch zeitgemäß ist,
ob man es weiter aufrechterhalten solle,
oder ob es sogar nicht etwas ist, was nur „die Alten“ noch interessiere.

Die Antwort auf solche Fragen können wir hier auf unserem Ehrenmal finden. Unsere Großeltern-, teilweise Urgroßelterngeneration, die, noch im Angesicht des persönlichen Erlebens, dieses Denkmal hier errichtet hat, sie haben uns die Antwort in der schlichten Inschrift auf dem Gedenkstein mitgegeben:

„Den Toten zum Gedenken, den Lebenden zur Mahnung“

Es steht nicht auf diesem Stein, dass der Toten nur für die nächsten 50 oder 100 Jahre gedacht werden solle, und es steht auch nicht darauf geschrieben, dass sich nur die nachfolgenden 2 oder 3 Generationen der Lebenden hiervon mahnen lassen sollen.
Nein, es liegt vielmehr in dieser Inschrift hier die immerwährende Aufforderung an uns alle, egal zu welchem Zeitpunkt, die Erinnerung nicht verblassen zu lassen und vor allem die richtigen Lehren daraus zu ziehen.

Wer Schlussstriche fordert, wer das Gedenken in Frage stellt, der vergisst.
Und wer vergisst, der kann keine Lehren mehr aus diesen Ereignissen ziehen. Und der öffnet damit am Ende auch wieder die Tür, um solche Grausamkeiten sich im schlimmsten Falle wiederholen zu lassen.

Wir haben zu Beginn dieser Rede von unfassbar großen Zahlen menschlicher Schicksale gehört, und es waren nur 2 Beispiele aus den beiden Weltkriegen, die ich hier ausgewählt habe.

Wir dürfen nicht vergessen, dass unzählige weitere Kinder, Frauen und Männer zu Opfern von Kriegen und Gewaltherrschaft wurden, und leider immer noch bis heute werden.

Nehmen wir daher am heutigen Volkstrauertag, gerade wir Jüngeren und diejenigen, die nach uns kommen, das Vermächtnis unserer Großeltern- und Urgroßelterngeneration an, was sich hinter dieser Inschrift auf unserem Ehrenmal verbirgt:

Den Toten zum Gedenken, den Lebenden zu Mahnung!

Gedenken an alle Opfer von Gewalt und Krieg aller Völker,

Mahnung zu Versöhnung, Verständigung und Frieden,
auch und vor allem in diesen Zeiten, die wir gegenwärtig durchleben müssen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit