Die Schule kostete 779 Gulden

Artikel-Serie zur Historie von Schulhäusern in Schannenbach/Knoden von Walter Koepff

Das erste Schannenbacher Schul- und Armenhaus befand sich in diesem Anwesen an der Abzweigung der Gronauer Straße (rechts) von der hier abknickenden Krehbergstraße. koe/Bild: koe

Es ist bewundernswert, mit welcher Energie und Einsatz sich die Bürger von Schannenbach für die Schaffung von Unterrichtsmöglichkeiten in ihrem Dorf eingesetzt haben, allen voran die jeweiligen Bürgermeister. Die Geschichte der Schule im heute rund 150 Einwohner zählenden Lautertaler Ortsteil Schannenbach verteilt sich auf drei bzw. auf vier Gebäude, wenn man die wechselweise genutzte Schule in Knoden mitzählt. Auf das erste, als Schule genutzte Gebäude stößt man direkt bei dem scharfen Knick der Krehbergstraße Richtung Ober-Schannenbach am Abzweig der Gronauer Straße. Nur wenige Meter entfernt befindet sich das zweite als Schule genutzte Gebäude „Im Grund 2“. Die letzte Unterrichtsstätte in der Höhengemeinde wurde im Dorfgemeinschaftshaus geschaffen bis dann die Mittelpunkt Schule in Gadernheim das Aus für die dörfliche Schule bedeutete.

Die Entstehung der ersten Schannenbacher Schule ist mehreren Zufällen zu verdanken. Geht man in das Jahr 1859 zurück, so kann man in der Chronik von Hermann Bauer, „Ein Dorf im Odenwald – Schannenbach“ erfahren, dass damals der Bürgermeister von Schannenbach, Knoden und Breitenwiesen Peter Rettig I. war. Er wohnte in der heutigen Straße Im Grund 2, einem Gebäude, das das zweite Schannenbacher Schulhaus werden sollte. Ihm gegenüber war Peter Rettig II. zuhause, der das Anwesen von Johann Deichert in der Krehbergstraße 520 erwerben konnte, da Deichert wegen Überschuldung verkaufen musste. Zu dem Besitz gehörte auch das spitz zugeschnittene Grundstück an der Abzweigung Gronauer Straße, auf dem das „Schul- und Armenhaus“ (Krehbergstraße 519) errichtet werden sollte. Zu der Geschichte dieses Gebäudes gehört auch ein Ereignis an dem Wohnplatz „Kellersporn“, Richtung Gronau. Dort wohnte in einem 1831 erbauten kleinen Häuschen, so ist bei Bauer zu lesen, eine der ärmsten Familien. Aus unbekannter Ursache brannte dieses 1852 nieder. Da die Familie das Haus nicht wieder aufbauen und so das Brandentschädigungsgeld nicht erhalten konnte, hatte der Schannenbacher Gemeinderat mit seinem Bürgermeister die Idee, ein Armenhaus zu bauen. Dieses sollte gleichzeitig auch als Schulhaus verwendet werden. Mit diesem Gedanken wurde Bürgermeister Rettig beim Kreisamt in Lindenfels vorstellig und dieses erlaubte im März 1859 das Brandentschädigungsgeld für den Hausbau zu verwenden, wenn das neu erbaute Haus der Gemeinde anschließend verpfändet werde. Es wurde sogar der Erwerb durch die Gemeinde in Betracht gezogen. Bauherr war Peter Rettig II. Beim Bau fanden auch Materialien eines auf Abbruch von einem ersteigerten Schäferhäuschen vom Hofgut Hohenstein bei Reichenbach Verwendung. Dank penibler Aufzeichnungen von Peter Rettig II. können die Kosten für das Haus in 68 Positionen bis auf einen Kreuzer genau nachverfolgt werden. Die Summe betrug insgesamt 779 Gulden und 46 Kreuzer. Das war dann auch der Betrag, den Schannenbach später für sein Schul- und Armenhaus bezahlen musste.

Durch diesen Dachaufsatz geschützt läutet noch heute die Glocke des ersten Schulgebäudes von 1860 in dem Lautertaler Ortsteil Schannenbach. koe/Bild: koe

Wie Bauer in seiner Chronik betont, sei ein gemeindliches Haus ohne Glocke undenkbar. So wurde bei dem Hof-Glockengießer Friedrich Wilhelm Otto in Darmstadt eine Glocke bestellt. Diese sollte laut Vertrag 58 Pfund nicht übersteigen. Als die Glocke im Januar 1860 fertig war, musste Otto mitteilen, dass diese wegen Krone, Verzierung und Inschrift acht Pfund schwerer ausgefallen sei. Für jedes Pfund wollte er einen Gulden mehr als die vereinbarten 64 Gulden haben. Otto machte die Mehrkosten schmackhaft, indem er den Schannenbachern schrieb:“Da die Glocke in jeder Beziehung sehr gut ausgefallen ist und ihr reiner, scharfer Ton Ihnen sicher gefallen wird, so glaube ich nicht, daß es Ihnen auf den kleinen Mehrbetrag ankommen wird, indem Sie ja auch den Wert haben“. Falls Schannenbach nicht zustimmen könne, werde er eine neue Glocke gießen. Da die Hauseinweihung bald erfolgen sollte, nahmen die Schannenbacher den Vorschlag an. Die Montage durch den Lieferanten und das Probeläuten am 22. Februar 1860 sei zur Zufriedenheit aller Beteiligten ausgefallen. Am 15. Mai 1860 kaufte dann Schannenbach das Haus von Peter Rettig II. und seiner Ehefrau Anna Margaretha, geborene Bormuth. Diesem Kauf musste noch vom Großherzoglichen Kreisamt Lindenfels zugestimmt werden. Nach der Stellungnahme des Kreisbauamtes Erbach und der Großherzoglichen Oberbaudirektion in Darmstadt genehmigte das Kreisamt in Lindenfels im August 1860 den Kauf zu einem Preis von 780 Gulden. Bis zum Januar 1866 gelang es dem Dorf alle Schulden zu bezahlen. Nach schwierigen Verhandlungen erhielt der rührigen Bürgermeister Peter Rettig I. die Genehmigung, das Brandentschädigungsgeld in Höhe von 50 Gulden und fünf Kreuzer für das kleine Haus im Kellersporn für das Schul- und Armenhaus verwenden zu dürfen. Dieser Betrag wurde für nachträgliche Schindler-, Schlosser- und Maurerarbeiten verwendet.

In einer Leserzuschrift eines auswärtigen Lehrers im Intelligenzblatt des Kreises Lindenfels vom 13 März 1860 wird „das neue, geräumige, sehr helle und im Inneren recht freundlich und anständig ausgestattete Schullokal…“ als lobendes Beispiel hervorgehoben. Die Tatsache, dass es sich nicht um angemietete sondern um gemeindeeigene Räumlichkeiten handle, wurde besonders erwähnt und anderen Gemeinden zur Nachahmung empfohlen. Trotz dieser positiven Bewertung wurde das neuerbaute Haus nicht lange als Schulhaus verwendet. Es liegt ein Protokoll vom 9. Oktober 1871 über die öffentliche Versteigerung desselben vor. Die sehr einschränkenden Verkaufsbedingungen führten dazu, dass kein Angebot einging. Zum zweiten Versteigerungstermin erschien überhaupt niemand. Beim dritten Versuch erhielt Peter Müller aus Schannenbach für 300 Gulden den Zuschlag, Interessant zu lesen ist, dass das bestehende Einsitzrecht erst Ende 1959 auf Antrag des damaligen Besitzers Johann Pfeifer gelöscht wurde.

Als besonders erwähnenswert fand Hermann Bauer das Läuten der Glocke auf dem Schulhaus. Ab Februar 1860 gab es das „Tag- und Nachtläuten“. Auch für das Läuten der Glocke um elf und zwölf Uhr wurde ein Ortsbürger verpflichtet der dafür fünf Gulden pro Jahr erhielt. Dieses Glöckchen ist heute noch auf dem Dorfgemeinschaftshaus zu hören. Es habe aber nicht mehr so viel zu tun wie früher, berichtet Hermann Bauer. Es komme kein Steuereintreibe mehr, der früher mit der Glocke angekündigt worden sei. Es läute nur noch, wenn jemand in Schannenbach, Knoden oder Breitenwiesen sterbe, bei Beerdigungen oder bei Gottesdiensten im Dorfgemeinschaftshaus. (wird fortgesetzt) koe